Meteotsunamis – wenn das Wetter Riesenwellen macht

Meteotsunamis – wenn das Wetter Riesenwellen macht

Im Juli 2018 erlebten Einheimische und Urlauber im Hafen des malerischen Städtchens Alcúdia im Norden Mallorcas ein ungewöhnliches Naturschauspiel: Eine etwa 1,5 Meter hohe Welle überschwemmte die Strandpromenade, Restaurants und Geschäfte. Dieses Ereignis war jedoch kein gewöhnlicher Tsunami, sondern ein sogenannter Meteotsunami – ein Phänomen, das zwar weniger bekannt, aber durchaus spektakulär ist.

Was ist ein Meteotsunami?

Ein Meteotsunami ist eine Welle, die ähnlich wie ein klassischer Tsunami Küstenregionen überschwemmt. Der Unterschied liegt jedoch in der Ursache: Während ein „normaler“ Tsunami durch Erdbeben oder andere seismische Aktivitäten entsteht, bildet sich ein Meteotsunami durch atmosphärische Prozesse.

Das Phänomen ist weltweit bekannt: Auf den Balearen wird es als „Rissaga“ bezeichnet, in Japan spricht man von „abiki“ und in Kroatien von „sciga“. Am 31. März 1979 etwa traf ein Meteotsunami mit einer Wellenhöhe von fast fünf Metern die Bucht von Nagasaki, was nicht nur große Schäden anrichtete, sondern auch drei Menschenleben forderte.

Wie entsteht ein Meteotsunami?

Die Physik eines Meteotsunamis ist ähnlich wie die eines klassischen Tsunamis: Eine Störung an der Meeresoberfläche führt zu einer Wellenbewegung, die sich über weite Strecken ausbreiten kann. Während beim seismischen Tsunami eine plötzliche Hebung oder Senkung des Meeresbodens die Welle auslöst, sind es bei einem Meteotsunami rasche Luftdruckschwankungen.

Solche Schwankungen kommen beispielsweise an der Böenfront eines Gewitters vor, wo der Luftdruck innerhalb weniger Minuten um 1 bis 4 hPa abnehmen kann. Dies entspricht einer Hebung der Wasseroberfläche um 1 bis 4 cm. Das klingt zwar sehr klein, aber wenn sich die Gewitterfront synchron mit der gerade erzeugten Welle bewegt, wird sie mit der Zeit immer höher aufgeschaukelt – ein Effekt, der als „Proudman-Resonanz“ bekannt ist. 

Trifft die Welle dann auf eine Bucht oder einen Hafen, kann die sogenannte Hafenresonanz die Amplitude weiter verstärken. Dadurch wächst die Welle deutlich an. Dabei muss die in den Hafen einlaufende Welle die gleiche Schwingungsfrequenz haben wie die Eigenfrequenz des hin und her schwappenden Wassers im Hafenbecken. So eine Hafenresonanz kann man auch Zuhause in der Badewanne sehen: Dabei wird die Welle immer höher, wenn sie von den Wänden der Wanne reflektiert wird. Dieses Zusammenspiel führte beispielsweise zu den spektakulären Überschwemmungen in Alcúdia.

Meteotsunami in Alcúdia im Juli 2018

Bekannte Meteotsunami-Ereignisse

Einige der stärksten bekannten Meteotsunamis ereigneten sich an geografisch passenden Orten, darunter enge Buchten oder flache Küstengebiete. Besonders beeindruckend war der Meteotsunami im kroatischen Hafen Vela Luka am 21. Juni 1978, bei dem die Wellenhöhe Berichten zufolge sechs Meter erreichte.

Auch in der Bucht von Ciutadella auf Menorca und im nordmallorquinischen Alcúdia treten Meteotsunamis regelmäßig auf. Hier verursachen die engen Buchten und die Resonanzbedingungen besonders hohe Wellen. Das Ereignis von 2018 zeigt, dass selbst eine 1,5 Meter hohe Welle ausreicht, um erhebliche Schäden an Promenaden und Geschäften zu verursachen.

Vorhersage von Meteotsunamis

Die Vorhersage von Meteotsunamis stellt eine große Herausforderung dar. Bei klassischen Tsunamis kann das Auftreten von Erdbeben mithilfe von Messsystemen relativ zuverlässig überwacht werden. Meteotsunamis hingegen erfordern die genaue Beobachtung kleinräumiger Luftdruckschwankungen und ihrer Interaktion mit den Meeresbedingungen.

Einige Länder arbeiten bereits an Warnsystemen. Der spanische Wetterdienst etwa gibt seit 1984 „Rissaga-Warnungen“ für die Balearen heraus, basierend auf Wettermodellen und bekannten Resonanzbedingungen. Wissenschaftler wie Sepic und Vilibic (2011) haben zudem Ansätze für Frühwarnsysteme in der Adria entwickelt. Trotz dieser Fortschritte bleibt die präzise Vorhersage schwierig, da viele Faktoren – von der atmosphärischen Dynamik bis zur Küstentopografie – berücksichtigt werden müssen.

Was Meteotsunamis gefährlich macht

Obwohl Meteotsunamis im Vergleich zu seismischen Tsunamis oft kleiner ausfallen, können sie in Küstenregionen erheblichen Schaden anrichten. Hafenanlagen, Boote und Strandpromenaden sind besonders gefährdet. Hinzu kommt, dass die Wellen oft plötzlich und ohne Vorwarnung auftreten – ein Umstand, der sie für Menschen an der Küste besonders gefährlich macht.

Mit zunehmenden Wetterextremen durch den Klimawandel könnte auch die Häufigkeit von Meteotsunamis steigen. Regionen wie die Balearen, Kroatien oder die Ostküste der USA, die anfällig für solche Phänomene sind, müssen sich darauf einstellen, dass diese „kleinen Tsunamis“ weiterhin eine Herausforderung bleiben.


Übrigens: Meteotsunamis treten nicht nur an Meeresküsten auf – auch in den Großen Seen Nordamerikas wurden sie beobachtet, wo sie lokale Überschwemmungen verursachten, obwohl sie Tausende Kilometer von einem Ozean entfernt liegen! So entstand im Juni 1954 eine 3 Meter hohe Welle am Lake Michigan, die zahlreiche Badegäste am Ufer überraschte und 7 Menschen das Leben nahm.

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